Früher hat man ein Schreibaby einfach schreien lassen

Gab es eigentlich früher schon Schreibabys? Hatten unsere Mütter und Großmütter dieselben Probleme wie wir? Ja, das hatten sie vermutlich schon. Aber schätzungsweise ist man damals einfach anders  damit umgegangen. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren die Erziehungsideale völlig anders als heute. Ein Schreibaby hätte man einfach schreien lassen. Nicht aus Grausamkeit, sondern weil die Eltern überzeugt waren, es würde ihrem Kind guttun.

Harte Zeiten für Schreibabys: Schreien lassen für stärkere Lungen

Vor ein paar Jahrzehnten war das Zusammenleben zwischen Baby und Mutter noch ein ganz anderes. Damals hat man Babys einfach bekommen. Heutzutage wird die Sache mit dem Nachwuchs doch eher bis ins Detail geplant. Und dann soll bitte alles wie am Schnürchen laufen. Es soll jetzt kein Affront sein, aber Oma hat sich vermutlich um viel weniger Dinge einen Kopf gemacht als wir heute. Wenn das Baby geschrien hat, dann war das halt so. Das soll natürlich nicht heißen, dass ihr euer Baby schreien lassen sollt. Babys wuchsen vor ein paar Jahrzehnten einfach anders auf als heute.

Früher wurde gesagt, das Schreien die Lungen stärkt. Entsprechend hat man die Babys einfach schreien lassen. Alleine. Damals waren die Erkenntnisse und das Wissen um die Folgen des Schreienlassens nicht bekannt.

28 Tipps zum Beruhigen deines Schreibabys

Großvater trägt Jungen auf dem Arm

Natürlich haben manche Babys auch damals schon mehr geschrien als andere, aber durch die früher noch üblichen Großfamilien kümmerte sich immer irgendjemand um den Nachwuchs. Heute bleibt dagegen in der Regel alles an den Eltern hängen – meistens sogar ausschließlich an der Mutter.

Babys schreien lassen – warum das früher so üblich war 

Wer heute sein Baby schreien lässt, gilt als herzlos und rigoros. Trotzdem mag es noch die einen oder anderen Großeltern geben, die glauben, sich hier einmischen zu müssen. Und aus ihren Zeiten haben sie dann auch zweifelhafte Tipps mitgebracht:
Lass es doch auch mal schreien. Das kräftig die Lungen!“ oder „Wenn du bei jedem Mucks zu deinem Baby rennst, verwöhnst du es doch nur. Ein bisschen schreien lassen kann nicht schaden.

 Zum Glück sind die Zeiten des Schreienlassens jedoch endgültig vorbei!   

Heutzutage weiß man es nämlich besser. Wenn man das Baby schreien lässt, kann es zu seinen Eltern kein Urvertrauen entwickeln. Wie sollte es das auch, wenn es in den Minuten des größten Kummers einfach alleingelassen wird? Ungewollt geben seine Eltern ihm damit folgende BotschaftDu bist uns nicht wichtig. Mit Sorgen oder Schmerzen musst du alleine klarkommen. Dabei ist es so wichtig, dass gerade die kleinsten Erdenbürger Geborgenheit und viel Liebe zu spüren bekommen. Sie müssen wissen, dass da immer jemand da ist, der sich um sie kümmert, sie umsorgt und ihre Bedürfnisse ernst nimmt.

Wenn ihr das Baby schreien lasst, fängt es an, an sich zu zweifeln. Es fühlt sich schlichtweg nicht wichtig und natürlich auch nicht geliebt. Mit fatalen Konsequenzen.  

Liebe und Zuwendung sind Grundbedürfnisse wie Nahrung. Erhalten die Kinder nicht ausreichend davon, wird dies zu Problemen in ihrer späteren Entwicklung führen. Bindungsstörungen, Unsicherheit und zahlreiche weitere seelische Störungen wären die Konsequenzen einer solchen sozialen Verwahrlosung.  

Die geprügelte Generation 

Noch vor einem halben Jahrhundert waren die Zeiten ganz anders als heute. Prügelstrafen waren gang und be. Sogar in der Schule war es den Lehren erlaubt, die Schüler bei Bedarf zu schlagen. Körperliche Züchtigung war ein absolut legitimes Mittel zur Erziehung des Nachwuchses. Wir können froh sein, dass diese Zeiten vorbei sind und man es heute besser weiß: Schläge sind für das Kind demütigend und nehmen ihm ein Stück seiner Würde. Erwachsene, die als Kind geschlagen wurden, schlagen oftmals ihre eigenen Kinder, weil es ihnen so vorgelebt wurde. Mit dem Schreienlassen verhält es sich ähnlich. Die Eltern damals glaubten, das Beste für ihr Kind zu tun.

Es gab zu dieser Zeit diverse Erziehungsratgeber, die empfahlen, mit dem Baby nicht zu zimperlich umzugehen, kein Mitleid mit ihm zu haben, wenn es schreit, und es natürlich bloß durch zu viel Körperkontakt zu „verzärteln“ 

Die Wende kam erst Ende der 60er Jahre, als die antiautoritäre Erziehung Einzug hielt. Zeitgleich wurde in Amerika das Babytragetuch populär – ein Trend, der wenig später auch Deutschland erreichte. Viele Eltern stellten dabei fest, dass ihre Babys deutlich ruhigere und zufriedenere Zeitgenossen sind, wenn sie am Körper umhergetragen werden. Das leuchtet ein, wenn man weiß, dass Menschenbabys Traglinge sind. Mutter Natur hat es so eingerichtet, dass Babys von ihren Müttern viel getragen werden sollen. In vielen anderen Ländern der Welt ist dies eine Selbstverständlichkeit, hier in der westlichen Welt jedoch ticken die Uhren etwas anders.  

Erziehungsspagat zwischen streng
und antiautoritär 

Das Erziehung eines Kindes ist ein Drahtseilakt, bei dem es darum geht, dem Kind einerseits eine freie Entfaltung zu ermöglichen und ihm andererseits Grenzen aufzuzeigen, Werte zu vermitteln und Fähigkeiten beizubringen. Während übermäßige Strenge, Lieblosigkeit und Züchtigungen dem Kind schaden, tut man dem Kind auch mit übermäßigem Laissez-Faire keinen Gefallen. Auch hier ist der goldene Mittelweg vermutlich der richtige. 

Diese Fragen kommen allerdings erst ab einem Alter von zirka 2 Jahren zum Tragen. Davor kann man kaum von Erziehung sprechen. Ein Baby hat schlicht seine Bedürfnisse, die es zu erfüllen gilt: essen, schlafen und körperliche Nähe zu den Eltern. Und es hat nur eine Möglichkeit, darauf aufmerksam zu machen, wenn ihm etwas fehlt, wenn es Schmerzen hat oder die neue Umgebung ihm Angst macht: Es kann schreien - mehr nicht. Das müsst ihr ernst nehmen: Seid da, haltet es fest, sprecht mit ihm und hört ihm zu. So fühlt es sich in seinem Kummer zumindest nicht alleingelassen. 

Für Mütter ist es übrigens ein ganz natürlicher Reflex, auf das Schreien ihres Babys zu reagieren und es eben gerade nicht zu ignorieren. Dies ist ein wesentlicher und überlebenswichtiger Bestandteil der frühkindlichen Kommunikation. Babys, die schreien, brauchen Hilfe und machen so auf sich aufmerksam. Dass die Eltern, insbesondere die Mutter, dies nicht einfach großzügig überhören, sondern umgehend darauf reagieren, ist eigentlich die normalste Sache der Welt.

Hilfe annehmen

Wenn ihr ein Schreibaby habt, solltet ihr jede erdenkliche Hilfe annehmen, die sich euch bietet! Das muss euch nicht peinlich sein. Es zeigt, im Gegenteil, dass ihr eure Grenzen einschätzen könnt und verantwortungsvoll handelt. Euer Kind wird ebenfalls davon profitieren, vor allem dann, wenn ihr mit den Nerven am Ende seid und kurz davor steht, es anzuschreien oder – noch schlimmer – es zu schütteln. Falls also Oma, Opa oder Freundin anbieten, auf das Kind aufzupassen, lasst euch das nicht zweimal sagen, und wenn es nur für eine Stunde ist!

Wie geht es euch? Kümmert ihr euch nur alleine um euer Baby oder habt ihr auch Unterstützung aus der Familie?

Herzlichst
Maik Schwede

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